Die Nachwuchspieler des Post SV Augsburg bringen ihren Sport in Seniorenheime,
Krankenhäuser und Gefängnisse. Von den gemeinsamen Einheiten profitieren nicht
nur die Menschen in den Einrichtungen, sondern auch die Post-Jugendlichen selbst

Die ganz großen Zeiten des Post SV Augsburg liegen schon eine Weile zurück. Sechs Jahre spielten die Fuggerstädter Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger Jahre in der 1. Bundesliga, wurden 1967 Deutscher Pokalsieger. Es folgten noch etliche Jahre in der 2. Liga; heute ist die Bayernliga sportliche Heimat des Post SV. Und doch ist der Klub in den vergangenen Jahren mehrfach ausgezeichnet worden: vom bayerischen Verband, vom Augsburger Rotary Klub – und von der Deutschen Olympischen Gesellschaft, mit dem ersten Preis im bundesweiten Wettbewerb „Jung,sportlich, FAIR“. Weil sie sich sozial engagieren und den Sport seit zehn Jahren regelmäßig dorthin bringen, wo es den Menschen weniger gut geht. In Kinderkrankenhäuser, Gefängnisse,Seniorenheime, Flüchtlingsunterkünfte.

Davon sollen nicht nur die Menschen in den genannten Einrichtungen profitieren, sondern auch die Jugendlichen des Vereins. „Es ist für die Kinder wichtig, zu sehen, dass es Menschen gibt, die mit noch größeren Herausforderungen zu kämpfen haben als sie selbst. Das weitet ihren Blick“, sagt Dieter Voigt, 2. Vorsitzender der Abteilung. Als er 2007 den Förderkreis ‘Wir fördern Talente’ ins Leben rief, hatte er zunächst vor allem die sportliche Förderung des Vereinsnachwuchses im Sinn. Mehr entstand daraus, nachdem er bei den Lechwerken Augsburg vorsprach, um zu fragen, ob der regionale Energieversorger nicht als Sponsor einsteigen will. „In den Gesprächen hat sich schnell herauskristallisiert, dass sie nicht unbedingt nur sportliches Engagement fördern wollen, sondern einen Mehrwert schön fänden. Dann haben wir das gemeinsam entwickelt“, erzählt Voigt. Mit das sind jährlich vier bis sechs Besuche in sozialen Einrichtungen gemeint, „und dafür erhält der Verein einen Betrag vom Sponsor, mit dem wir unsere Übungsleiter finanzieren können.“

Los ging es 2008 mit dem Besuch in einer Kinderklinik. Bis heute sind viele Begegnungen und Aktionen gefolgt, in verschiedenen Justizvollzugsanstalten, Seniorenheimen, Krankenhäusern, Jugendhilfeeinrichtungen, Schulen, Kinderheimen,Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sowie Begegnungsstätten für Flüchtlinge. Längst beschränkt sich das Engagement nicht mehr nur auf Augsburg, sondern auf ganz Bayerisch-Schwaben. Vier bis acht Jugendliche des Vereins und zwei, drei Übungsleiter machen sich jeweils mit reichlich Tischtennis-Utensilien im Gepäck auf den Weg. Manchmal kooperieren die Postler mit Vereinen vor Ort, die Tische und Netze stellen, in anderen Fällen verzichten sie darauf, diese mitzubringen und schieben einfach gewöhnliche Tische zusammen. In einer Einrichtung habe man das Netz einfach aus Klopapierrollen gebastelt, erzählt Voigt. „Wir wollen ja auch vermitteln, dass Tischtennis überall gespielt werden kann. Daher ist es auch ein ideales Medium, um Menschen in Verbindung zu bringen.“

Mit den Menschen in Verbindung zu kommen, das funktioniert bei den Besuchen in den verschiedenen Einrichtungen meistens schnell. Zunächst wird zusammen Tischtennis gespielt, dann führen die Postler noch etwas von ihrem Können vor – und nach einer gemeinsamen Pause gibt es zum Abschluss dann, quasi als Gegenleistung, noch Informationen über die jeweilige Einrichtung. Wie gut das gemeinsame Tischtennisspielen klappt,das hängt natürlich davon ab, wo die Postler gerade zu Gast sind. „Aber wenn im Seniorenstift die Bewohner nur mal den Schläger und Ball in die Hand nehmen, ist das ja schon ein neues haptisches Erlebnis für sie. Da wird sich der Ball auch nur mal über den Tisch zugerollt, oder der Schläger wird von einem unserer Trainer geführt.“ Gut erinnert sich Voigt an einen Besuch im Seniorenstift Kaufbeuren, wo mit den Bewohnern im Garten Tischtennis gespielt wurde: „Da habe ich mit einer alten Damen gespielt, unsere Trainerin hat ihre Hand geführt. Da war gleich ein körperlicher Effekt zu sehen, ihr Kreislauf kam in Schwung. Und sie hatte so eine Freude!“ Oft hinterließen solche Erlebnisse einen starken Eindruck, „und man geht beseelt nach Hause.“

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Dass solche Begegnungen auch den jungen Augsburger Tischtennisspielern etwas bringen, da ist sich auch Sebastian Schipfel,Sportsponsoring-Koordinator bei den Lechwerken, sicher. „Das gibt den Jugendlichen stetig Impulse für ihr Leben jenseits des Tischtennis und regt sie zum Nachdenken darüber an.“ Für die Bewohner, Patienten, Insassen dagegen bringt die Aktion kurzfristig etwas Ablenkung. Das bestätigt auch Sonja Ickinger, Diplompsychologin der Augsburger Kinderklinik, wo die Tischtennisspieler auch schon zu Gast waren. „Wir holen damit ein Stück Normalität in den Klinikalltag“, sagt sie. „Sport und Spiel helfen vielen kranken Kindern, mit ihren teilweise großen Belastungen besser umgehen zu lernen.“ Manchmal erwächst aus dem ersten Kontakt auch mehr. So kam der Besuch im Frauenstrafvollzug so gut an, dass dort der Wunsch nach einem regelmäßigen Angebot entstand. PostSV-Trainerin und Spielerin Nikola Tesch gab daraufhin dort ein Jahr lang einmal wöchentlich Training. Einige Bewohner einer Behinderteneinrichtung, die die Postler besucht und im Anschluss eingeladen haben, kommen seither häufiger zu den Heimspielen des Klubs, und haben schon ihr Interesse am Hobbytraining, das in Kürze ins Leben gerufen werden soll, bekundet. Und die Begegnungsstätte für Flüchtlinge, wo über das Klopapier-Netz hinweg gespielt wurde, hat den Kontakt zu einem somalischen Flüchtling hergestellt, der nun regelmäßig das Training besucht. „Meistens bringen unsere Aktionen nur kurzfristige Ablenkung, aber punktuell erwächst daraus eben auch mehr“, sagt Voigt. Seinem Klub bringt es natürlich auch einen Imagegewinn. Das aber ist nicht die Hauptintention. „Dieses Engagement ist unser kleiner Beitrag, ein bisschen was für die Welt zu tun. Mit wenig Aufwand kann man allen Beteiligten viel Freude machen – und das nur mit den Mitteln des Sports.“

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Bei den Lechwerken, die auch in anderen Bereichen Sport- und Sozialsponsoring vernetzen, beobachtet man mit Wohlwollen, wie der Klub das gemeinsam entwickelte Konzept mit Leben füllt. „Sie sind sehr umtriebig, gehen mit offenen Augen durch die Welt“, sagt Schipfel. Und so ist Initiator Dieter Voigt schon eine Idee gekommen, wen er und seine Mitstreiter als nächstes mit ein bisschen Tischtennis beglücken können: „Mit Obdachlosen haben wir noch keine Aktion gemacht“, sagt er. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert. Denn auch zehn Jahre nach dem ersten Besuch einer sozialen Einrichtung ist die
Motivation immer noch groß.

(Susanne Heuing)

Erschienen im Magazin tischtennis, Ausgabe 06/18. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Philippka-Sportverlags, www.philippka.de